Karl Georg „Charles“ Schumann veränderte die Bar-Szene
Die eisgrauen, halblangen, welligen Haare locker nach hinten gegelt, genüsslich seinen Kaffee trinkend – Karl Georg „Charles“ Schumann sitzt im dunklen Maßanzug entspannt an der Theke seiner Bar am Hofgarten am Münchner Odeonsplatz. „Ruhestand? In den werde ich nie gehen. Meinen Beruf übe ich sicherlich bis zu meinem Lebensende aus“, sagt der mittlerweile 71-Jährige, der 1942 im oberpfälzischen Kirchenthumbach geboren wurde.
Charles Schumann führt in der bayerischen Landeshauptstadt seit über 30 Jahren die bekannteste Bar Deutschlands – das nach ihm benannte „Schumann’s”. Zu seinen prominenten Gästen gehören neben Bundeskanzlerin Angela Merkel unter anderem auch Tennis-Legende Boris Becker, Regisseur Helmut Dietl oder Star-Koch Bocuse.
In seiner knappen Freizeit ist Schumann als Model für das Hugo Boss-Label „Baldessarini“, für die König Brauerei und für die Design-Bürostühle der Firma Wagner tätig. Seine Bücher über Cocktails sowie seine selbst erfundenen Drinks wie „Flying Kangaroo“ oder „Swimming Pool“ sind weltweite Bestseller. Der Regisseur des Hollywood-Films „L.A. Confidential” – Curtis Hanson – hat der Gastronomie-Legende seinen Tribut gezollt, indem er im Film Holzkisten mit dem berühmten Schumann’s-Logo durchs Bild tragen ließ.
Herr Schumann! Sie haben in Kirchenthumbach Ihre Kindheit verbracht. Eine schöne Zeit, an die Sie sich noch gerne erinnern?
Charles Schumann: Diese Zeit ist mittlerweile sehr weit weg. Ich habe ehrlicherweise gesagt nur noch wenige Erinnerungen daran. Allerdings kann man die heutige Zeit mit der damaligen nicht vergleichen. Wir sind ohne Fernseher und Radio aufgewachsen. Irgendwie war alles persönlicher. Nachdem wir eine große siebenköpfige Familie waren, war jeder mehr mit sich selbst beschäftigt.
Was haben Ihre Eltern Ihnen mit auf den Weg gegeben?
Charles Schumann: Eigentlich das Wichtigste, das sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Leben zieht: Bescheidenheit.
Sie sind im zarten Alter von neuneinhalb Jahren nach Regensburg ins Priesterseminar gegangen. Wollten Sie Priester werden?
Charles Schumann: Als Erstgeborener hätte ich eigentlich den Hof übernehmen müssen. Aber es war immer klar, dass das mein Bruder macht. Ich hatte kein Interesse am Bauernhof, ich wollte immer weg, war auch in der Schule besser als er. Mit neuneinhalb Jahren zog ich dann viel zu früh von zu Hause aus und ging ins Priesterseminar, das den Jesuiten angeschlossen war. Priester zu werden, war für mich aber nie das Ziel, das war allenfalls der Wunsch meiner Eltern. Auf der väterlichen Seite meiner Familie hatte es über Generationen hinweg immer einen Priester gegeben. Für mich wäre das Priester-Dasein aber nichts gewesen, deshalb ging ich nach der Mittleren Reife von der Schule ab.
Ihr weiterer beruflicher Werdegang führte Sie dann unter anderem ins Auswärtige Amt. Was hat Sie daran gereizt?
Charles Schumann: Es war damals so und ist auch heute noch so: Ich habe stets das Gefühl und Verlangen, irgendwo anders hingehen zu müssen, um etwas Neues kennen zu lernen. Ich bin einfach neugierig, will andere Kulturen erleben. Ich reise gerne. Vor allem nach Frankreich. Meine Affinität zu diesem Land ist ja bekannt, ich liebe die Sprache und das Meer.
Wie und wann entstanden Ihre ersten Kontakte zur Gastronomie?
Charles Schumann: Das war Zufall und eigentlich nicht gewollt. Bei meinem ersten längeren Frankreich-Aufenthalt musste ich schauen, wie ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Ich hatte keine besonderen Fähigkeiten und keinen Beruf erlernt. Irgendwie musste ich über die Runden kommen und begann so in der Gastronomie zu arbeiten. Ich blieb in dieser Szene hängen. Wobei ich aber dann nach meiner Rückkehr nach Deutschland mein Abitur nachgeholt habe.
Schließlich eröffneten Sie 1982 Ihre „Schumann´s American Bar“ in München. Wie würden Sie eine gute Bar charakterisieren?
Charles Schumann: Grundsätzlich: Damals eine Bar zu eröffnen, war wesentlich einfacher als heute. Das Vorbild der „Schumann´s American Bar“ war eine Bar mit Getränken, die ich aus Venedig kannte. Eine gute Bar hat einen persönlichen Touch, sie muss eine Bar für alle Zwecke sein.
Welche Voraussetzungen muss man als Barbesitzer mitbringen?
Charles Schumann: Man muss als Besitzer hinter dem Projekt stehen und selbst gerne in seine Bar gehen. Natürlich muss man auch selbst hinter der Theke stehen, man muss sich sehen lassen. Nicht zu vergessen ist eine gewisse Kontinuität in der Bar. Die Gäste schätzen dies. So arbeite ich zum Beispiel mit einigen meiner Beschäftigten seit über 20 Jahre zusammen.
Ist es immer noch so, dass Sie morgens als Erster in Ihrer Bar sind und sie als Letzter verlassen?
Charles Schumann: Das war früher so! Heute bin ich zwar immer noch als Erster im Geschäft. Aber ich gehe nicht mehr als Letzter nach Hause.
Es heißt ja auch, dass Sie am liebsten in der Küche stehen und Sie für Ihre hervorragenden Bratkartoffeln bekannt sind? Bleibt Ihnen überhaupt noch Zeit, in der Küche zu arbeiten?
Charles Schumann: Eines vorweg: Das mit den Bratkartoffeln ist ein Irrtum und ein Gerücht! Und selbst koche ich in der Bar auch nicht mehr. Wir haben mittlerweile mehr Essen auf unserer Karte. Daher ist es meine Pflicht, als Chef in der Küche zu schauen, ob alles perfekt rausgeht.
Woran erkennt man einen guten Barkeeper?
Charles Schumann: Ein guter Barkeeper ist da und doch nicht da! Das zeichnet ihn aus. Er muss seinen Beruf gerne ausüben und nicht nur über die Getränke Bescheid wissen, sondern auch über seine Gäste. Er darf ihnen aber nicht zu nahe kommen und muss eine gewisse Distanz halten.
Was sind die unangenehmen Seiten im Leben eines Barbesitzers?
Charles Schumann: Man arbeitet sehr viel und steht viele Stunden in der Bar. Ein Zwölf-Stunden-Tag ist an der Tagesordnung. Und das sieben Tage die Woche. Da bleibt für die Familie ganz wenig Zeit.
Und die angenehmen?
Charles Schumann: Das Arbeiten mit Menschen. Man lernt immer neue Leute mit verschiedenen Charakteren kennen.
Man sieht in Ihrer Bar oft ziemlich bekannte Leute, die Ihnen um den Hals fallen. Fühlen Sie sich selbst als Prominenter?
Charles Schumann: Nein. Wichtig ist, sich nicht selbst in den Vordergrund zu rücken. Sicherlich gibt es Barkeeper, die denken, dass sie noch prominenter als ihre Gäste sind. Aber die überleben nicht lange. Derjenige, der im Hintergrund arbeitet, schon.
Sie arbeiten unter anderem auch als Model für das Hugo Boss-Label „Baldessarini“. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Charles Schumann: Das ist durch einen Zufall entstanden. Werner Baldessarini und ich kennen uns seit ewigen Zeiten. Vor zehn oder zwölf Jahren hat er mich mal gefragt, ob ich für ihn modeln würde. Und ich sagte ja!
Ist das „Modeln“ etwas, das Ihnen Spaß macht? Oder ist es schon ein Hobby?
Charles Schumann: Nein, ein Hobby ist es nicht. Es macht einfach nur Spaß und gehört zu meinem Alltag. Ich arbeite für Werner zwei- bis dreimal pro Jahr. Ich bin quasi in die Firma hineingewachsen.
Sie sind mittlerweile 71 Jahre alt, was man Ihnen aber keinesfalls ansieht. Wie halten Sie sich fit?
Charles Schumann: Früher habe ich geboxt, jetzt mache ich aber nichts mehr. Vielleicht liegt es daran, dass ich aus der Oberpfalz komme? Oberpfälzer gelten als robuster und widerstandsfähiger. Zumindest in unserer Familie ist das so.
Sie haben in Ihrer Zeit als Barbesitzer viele Cocktails kreiert und die Bar-Szene nachhaltig beeinflusst. Was trinken Sie am liebsten?
Charles Schumann: Ich trinke am liebsten pur, Whiskey Sour. Daiquiris in allen Variationen und natürlich Kaffee.
Wie sieht Ihre Zukunft aus? Wird man Charles Schumann noch lange in seiner Bar sehen oder gibt es schon konkrete Pläne für den „Ruhestand“?
Charles Schumann: Ich werde nie in den Ruhestand gehen. Das ist nichts für mich. Meinen Beruf werde ich bis zu meinem Lebensende ausüben.
Ihr eigentlicher Vorname lautet ja „Karl Georg“. Gibt es noch Menschen, die Sie so ansprechen?
Charles Schumann: Der „Charles“ hat sich verselbstständigt. Es gibt nur wenige Menschen, die mich Karl Georg nennen. Einer davon ist mein Bruder, der ich aber leider zu selten sehe.
Abschließend noch ein Blick auf Ihre oberpfälzer Heimat: Pflegen Sie noch Kontakte in die Oberpfalz? Besuchen Sie Ihre Heimat und Ihre Familie ab und an?
Charles Schumann: Ich komme kaum mehr in die Oberpfalz. Müsste aber mal wieder hinfahren, dort eine Woche verbringen und mir Weiden und Regensburg ansehen. Aber es ist schwer. Denn ich arbeite die ganze Woche.
Wie hat sich die Oberpfalz Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren verändert?
Charles Schumann: Die Oberpfalz ist durch die Grenzöffnungen in die Mitte Europas gerückt. Das ist für die Lebensqualität sicherlich von Vorteil!
©Fotos: Stephan Landgraf, Schumann`s GmbH, Armin Brosch, Baldessarini, Wagner Bürostühle